Ein Menü um 50 Cent oder wenn ein Essen dein Leben verändert
SOMA CAFE, LINZ, OBERÖSTERREICH, ÖSTERREICH
Noch nie war Nahrungsaufsnahme so menschlich und echt
Neonröhren, blaue Plastiktabletts, ein mit Kreuzstich besticktes Geschirrtuch an der Wand mit dem Spruch: Essen macht Sorgen vergessen. Ich gehe ganz nach hinten an die hellgraue Theke durch einen langen Raum. Vor mit eben so ein blaues Plastiktablett, üppig befüllt mit einem Vier-Gänge-Menü. Eine Gemüse-Reis-Suppe, gefüllte Ravioli mit einer sahnigen Sauce, ein bunter Salat, ein Stück Brot und Kuchen. Es sieht alles sehr einladend und appetitlich aus, mein Magen macht sich bemerkbar. Der Mann bei der Essenausgabe fragt mich gleich, ob ich auch Kaffee will. Ich lehne dankend ab, mein Tablett ist jetzt bereits übervoll. 50 Cent bitte, sagt er. 50 Cent für ein Drei-Gänge-Menü-plus also.
Ich bin im Cafe SOMA, im Restaurant vom Sozialmarkt in der Linzer Wienerstraße. Die meisten die hier Essen gehen können gerade mal so überleben. Dank SOMA. Essen gehen im herkömmlichen Restaurant undenkbar, nicht einmal im Fast Food Lokal. Essen einkaufen bei den gängigen Supermärkten ebenso. Das Schicksal hat vielen übel mitgespielt. Hier im SOMA fragt niemand danach. Hier gibt’s warmes Essen und – unglaublich viele lachende Gesichter.
„Wenn Dir das Leben ein Bein stellt, musst Du trotzdem was essen.“
Ich setzte mich an den Tisch von Hans und Peter (alle Namen geändert). Sie kommen jeden Tag hierher. Es geht ihnen ums Reden, um den sozialen Kontakt. Beiden sind allein, verwitwet, beziehen Mindestpension. Für sich allein zu kochen wäre zu teuer und würde sich nicht auszahlen. Hier im Cafe SOMA schmeckt es nicht nur, es ist leistbar.
Am Nebentisch Erika. Die Pensionistin kommt wegen der gestiegenen Fixkosten gerade mal so über die Runden. Mehr schlecht am recht. Jeder Cent wird zehnmal umgedreht, auch jetzt in der Monatsmitte ist das Konto bereits am Limit.
Franz hat nichts. Fast nichts. Schon gar nicht nach der Scheidung. Alles geht drauf für Miete, Betriebskosten, den Hund – aber das macht er gern, und den alten Kredit aus der Zeit, als er noch selbstständig war. Er geht lieber nach Hause und koch sich was. Schließlich hat er im SOMA gerade eingekauft. Ein volles Wagerl für ein paar Euro.
Und da ist das noch Beate. Attraktiv, frech, cooler Jogginganzug. Sie holt sich gerade noch ein paar Polsterzipf, die gibt’s zusätzlich noch zum Menü. Sie ist aufgeschlossen, lebensfroh, lacht. Aktuell ist sie im Krankenstand, und geschieden. Und froh, hier ein warmes Essen um fast nichts zu bekommen.
Bettina's special:
Hier ist alles spezial, jeder, und jedes Essen. Einfach hingehen und soviel bezahlen, wie man glaubt zu müssen und zu wollen. Und beim nächsten Essen zu Hause oder irgendwo anders einfach bescheiden und dankkbar sein. Dann hat sich der Ausflug ins SOMA schon gelohnt.
„Das hier ist für mich wie das Salz in der Suppe. Auch wenn die öfter mal versalzen ist.“
Ich bin in einem anderen Leben angekommen. Bei Menschen die das Leben feiern, obwohl sie keinen Grund dafür haben. Sie jammern nicht, sie beschweren sich nicht, sie gehen keinen negativen Gedanken nach. Sie plaudern, scherzen, nehmen sich gegenseitig auf den Arm. Ode sie sitzen einfach nur da, allein an einem Tisch – Tischtücher gibts hier keine – und sind dennoch in diesem Moment mit sich und der Welt zufrieden.
Ich esse mit ihnen so als würde ich das jeden Tag tun. Ich bin einer von ihnen, weil ich mit ihnen an einem Tisch sitze. Die meisten loben das Essen, immer fleischig und vegetarisch, und satt um 50 Cent. Natürlich habe ich mehr bezahlt, das kann jeder tun, weil auch jeder hier essen kann. Vom Banker bis zum Notstandbezieher, vom Generaldirektor bis zum Obdachlosen, von der Pensionistin bis zur jungen alleinstehenden Mutter.
Von Montag bis Samstag kann man hier Mittagessen. Und mit jedem Euro mehr die soziale Einrichtung und somit Menschen unterstützen, die gerade mal 50 Cent für dieses Essen bezahlen können. Ich habe 10 Euro bezahlt. So wenig für so viele Überlebens-Lektüren.
„Wer kennt schon das Gefühl von Hunger?“
Wir haben alles, und davon viel zu viel. Wir stopfen oft Nahrung in uns hinein ohne Hunger zu haben. Und dann wollen wir meist noch mehr. Wir jammern über Nichtigkeiten, immer noch auf hohem Niveau und steigen dann in dicke Auto, um einkaufen zu fahren. Wir schmeißen Wertvolles weg, weil es für uns keinen Wert mehr hat. Wenn wir den Kühlschrank öffnen sehen wir das, was wir nicht mehr essen wollen. Weil wir gerade was anderes möchten. Und wir sind es gewöhnt immer das zu bekommen, was wir möchten. Wir sind Luxus-verseucht, nimmersatte Lebensmittel-Vernichter, Nahrungs-Schlampen. Ja. Genau das sind wir.
Beim Hinausgehen drehe ich mich noch einmal um und sehe erst jetzt das Bild bei der Essensausgabe hinter der Theke beim Kücheneingang. Es ist ein Poster mit dem berühmten Motiv von Michelangelo „Die Erschaffung des Adams“. Das Bild zeigt auf der linken Seite die Hand von Adam, der seinen linken Zeigefinger ausstreckt, um Gott zu erreichen.
Hier sind es viele Hände die sich täglich nach einer warmen Mahlzeit ausstrecken. Die sie, wenn auch nur für kurze Zeit, die Sorgen vergessen lassen.
Ich werde wiederkommen. Schon bald. Denn noch nie hat mich eine Mahlzeit so geerdet, so berührt, so glücklich gemacht. Aber nicht wegen des Essens, sondern wegen der Menschen. Danke.
Fakt: hier gehts bei Normalverdienern nicht ums Essen, hier gehts ums wieder-mal-geerdet-werden. Wir jammern immer noch - trotz massiv steigender Kosten auf hohem Niveau. Aber wir haben ein Dach über dem Kopf und einen Job. Und wenn nicht, dann gibt es den da draußen. Hier isst man mit Meschen, die das Leben aus der Bahn geschmissen hat, wie auch immer. Und wenn man mit ihen isst, dann ist man. Wird auch Zeit.
SOMA Café
Wiener Straße 46, 4020 Linz
Montag bis Sonntag 11.30 bis 14 Uhr; Mittagessen täglich von 11.30 bis 14 Uhr; Samstag zusätzlich Frühstück von 8 bis 10.00 Uhr
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